Immunabwehr: Blockade im Kern

10.09.2020

In der Zelle falsch platzierte DNA löst eine Immunreaktion aus – korrekt im Zellkern lokalisierte aber nicht, obwohl das entsprechende Enzym auch dort vorkommt. LMU-Wissenschaftler zeigen, was das Enzym im Kern lahmlegt.

Kryoelektronenmikroskopische Struktur der Bindung von cGAS (rot) an ein Histonprotein (blau) im Nukleosom. Bild: K.-P. Hopfner

Normalerweise befindet sich das Erbmolekül DNA in den Zellen höherer Organismen ausschließlich im Zellkern. Kommt es auch im Zellinneren vor, dem sogenannten Zytosol, sind meistens Infektionen mit Bakterien oder Viren der Grund. Ebenso kann körpereigene DNA in das Zytosol gelangen, etwa in Krebszellen oder gealterten Zellen. Fehlplatzierte DNA – egal ob fremde oder körpereigene – löst eine starke Immunreaktion aus, die durch das Enzym cGAS vermittelt wird. Forscher nahmen deshalb lange an, dass das Enzym nur im Zytosol vorkommt. Neuere Studien belegten allerdings, dass es auch, sogar bevorzugt, im Zellkern vorhanden ist. Unklar war jedoch, wie verhindert wird, dass es dort eine Autoimmunreaktion auslöst. Wissenschaftler um Professor Karl-Peter Hopfner in Kollaboration mit Kollegen um Veit Hornung vom Genzentrum der LMU konnten nun zeigen, dass die raffinierte Art der Bindung von cGAS an die Erbsubstanz im Kern dafür verantwortlich ist. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im renommierten Fachmagazin Nature.

DNA im Zytosol aktiviert cGAS, indem sie an das Enzym bindet. Dadurch wird eine zelluläre Signalkaskade ausgelöst, die die Produktion von Faktoren des angeborenen Immunsystems bewirkt. Dieser Prozess ist für die Abwehr von Infektionen essenziell und spielt – im Fall körpereigener DNA – auch bei der Entstehung von Autoimmunkrankheiten eine wichtige Rolle. Dass das Enzym auch im Zellkern vorkommt, stellt die Zelle allerdings vor ein Problem: Um Autoimmunreaktionen zu verhindern, darf es dort nicht durch die körpereigene DNA aktiviert werden. „Kurioserweise legen neuere Erkenntnisse nahe, dass dafür eine enge Bindung von cGAS an den DNA-Protein-Komplex im Zellkern – das sogenannte Chromatin – sogar wichtig ist“, sagt Hopfner.

Bindung nur an Proteine

Im Chromatin ist die DNA um einen Kern aus Histon-Proteinen gewickelt. Mithilfe kryo-elektronenmikroskopischer Bilder konnten die Wissenschaftler nun zeigen, dass cGAS nur an die Proteine bindet, nicht an die eigentliche DNA. „Das war sehr überraschend“, sagt Ko-Erstautorin Carina de Oliveira Mann. „Die Art der Bindung schirmt zudem eine DNA-Bindungsstelle von cGAS ab und blockiert damit deren Aktivierung. Dadurch wird das Enzym im Kern inaktiv gehalten, selbst wenn in der Nähe DNA prozessiert wird und damit frei zugänglich ist. Paradoxerweise ist Chromatin somit geradezu ein Reservoir, um cGAS inaktiv zu halten.“

Besonders effektiv wird cGAS in aufgelockerten Chromatin-Bereichen gehemmt, dort liegen auch die meisten Gene. „Dies könnte erklären, warum cGAS durch sogenannte Mikrokerne im Zytosol aktiviert wird, deren Chromatin vermutlich dichter gepackt ist“, sagt Hopfner. Solche Mikrokerne entstehen durch Chromosomenschäden, etwa aufgrund toxischer Substanzen, durch das schnelle Zellwachstum in Krebszellen oder während einer Strahlentherapie. „Mit unserer Arbeit haben wir das Verständnis, wie cGAS mit Chromatin interagiert, entscheidend vorangebracht“, so Hopfner, „dies ist wichtig, um in Zukunft cGAS-vermittelte Entzündungsreaktionen in Krebs- oder Autoimmunerkrankungen besser zu verstehen.“
Nature 2020