Allgemeine und Anorganische Chemie (AC1)

Die sieben Kristallsysteme

Kristallstrukturen sind durch Symmetrieelemente charakterisiert: Drehachsen, Spiegelebenen, Inversionszentren. Auf Elementarzellen angewandt, verringern Symmetrieelemente die Möglichkeiten, die Zelle zu füllen. Verläuft zum Beispiel eine Spiegelebene durch die Elementarzelle, so ist nur noch die Hälfte der Elementarzelle die asymmetrische Einheit, während sich die Füllung der anderen Hälfte durch die Wirkung der Spiegelebene ergibt. Bei der kubisch dichtesten Kugelpackung wirken zum Beispiel so viele Symmetrieelemente zusammen, dass nur 1/48 Atom in der asymmetrischen Einheit liegt. Bei α-Schwefel ist dies ein halbes S8-Molekül, bei monoklinem Schwefel ein ganzer S8-Ring. Symmetrieelemente können nicht in beliebiger Weise miteinander kombiniert werden. Die möglichen Kombinationen haben die Eigenschaften mathematischer Gruppen. Sie bilden die 230 Raumgruppen, deren Zahl sich verringert, wenn nicht die symmetrieverträgliche Packung irgendwelcher Motive betrachtet wird, sondern nur die möglichen Anordnungen von Gitterpunktscharen. Diese bilden die sieben Kristallsysteme.

Symmetrie führt zu Einschränkungen bei den Zahlenwerten der Gitterkonstanten a, b, c, α, β, γ (der Metrik). So gilt für die Metrik bei den sieben Kristallsystemen:

Kristallsystem Metrik
triklin
monoklin α = γ = 90°
[ortho]rhombisch α = β = γ = 90°
tetragonal a = b, α = β = γ = 90°
trigonal und hexagonal a = b, α = β = 90°, γ = 120°
kubisch a = b = c, α = β = γ = 90°

Man beachte, dass die Einschränkungen der Metrik eine Folge der Symmetrie sind. Die Kristallsysteme sind nicht durch die in der Tabelle zusammengestellten metrischen Bedingungen definiert, sondern durch das Zusammenspiel der Symmetrieelemente. Ist bei einem monoklinen Kristall β zufällig 90°, so ist der Kristall deswegen noch nicht orthorhombisch.

Eine Zentrierung fügt Gitterpunkte zu einer primitiven Zelle hinzu. Da auch die Zentrierung mit der Symmetrie eines Kristallsystems verträglich sein muss, sind nicht in allen Kristallsystemen alle Zentrierungen erlaubt. Werden die sieben Kristallsysteme nach ihren erlaubten (und sinnvollen) Zentrierungen differenziert, ergeben sich die 14 Bravaisgitter. Im kubischen Kristallsystem werden zum Beispiel drei Zentrierungen unterschieden: kubisch primitiv, kubisch innenzentriert (auch: kubisch raumzentriert), kubisch flächenzentriert (1, 2 oder 4 Gitterpunkte pro Elementarzelle).