H2-Zerfall in der Plücker-Röhre

Die von angeregten Wasserstoffatomen abgestrahlten Spektrallinien im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums haben Sie als „Balmer-Serie“ kennengelernt. Im Experiment mit der Plücker-Röhre wurde dazu Wasserstoff unter vermindertem Druck durch ein elektrisches Feld angeregt. Wasserstoffgas besteht aber nicht aus H-Atomen, sondern aus H2-Molekülen. Wieso sieht man das Spektrum der H-Atome?

Aus einer computerchemischen Rechnung lässt sich als Erklärung ableiten, dass ein H2-Molekül „auseinanderfliegt“, wenn irgendeiner der denkbaren angeregten Zustände eingenommen wird. Dies gilt bereits für den nach dem Grundzustand 1σ20 nächst stabilen Zustand 1σ11, wenn dieser nach der Hundschen Regel mit zwei Elektronen besetzt wird, welche dieselbe Spinquantenzahl aufweisen („parallelen Spin haben“). (Sie werden erst später lernen, dass eine Anregung unter Änderung des Elektronenspins nicht ohne weiteres möglich ist, was aber die hier verfolgte Argumentation nicht stört).

Die Situation ist im Vergleich mit zwei getrennten H-Atomen unstabil; sie stabilisiert sich durch Dissoziation. Die Ursache: Eine stabile H-H-Bindung setzt voraus, dass nicht nur die Elektronen im H2-Molekül im Vergleich mit dem H-Atom stabilisiert sind, sondern dass auch die nur im Molekül wirksame Abstoßung der beiden Protonen überkompensiert wird. Dies ist mit zwei Elektronen im 1σ2-Zustand gegeben, nicht aber in anderen, energiereicheren Konfigurationen. Wird eine Rechnung aus einer solchen unstabilen Konfiguration heraus begonnen, so entfernen sich die Atome weit voneinander.

Beachten Sie, dass die Möglichkeit des Bindungsbruchs ohne Ladungstrennung („homolytische“ Bindungsspaltung) bei dem in der Quantenchemie als Einstieg behandelten H2+-Molekülkation nicht möglich ist. Für dessen Erzeugung ist die vollständige Entfernung eines Elektrons aus dem H2-Molekül notwendig. Die hierzu notwendige Energie ist deutlich höher als für die hier betrachtete homolytische Spaltung.