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Faculty for Chemistry and Pharmacy LMU Munich - Vom Ursprung der biologischen Evolution - Blick in die Zelle zeigt frühes Protein aus der "RNA-Welt"

Vom Ursprung der biologischen Evolution - Blick in die Zelle zeigt frühes Protein aus der "RNA-Welt"

Nov 15, 2007

Nach der so genannten „RNA-Welt-Hypothese“ gab es früh in der biologischen Evolution eine lebende Welt ohne das Erbmolekül DNA.

In dieser Zeit war wohl eine der DNA chemisch nahe verwandte Nukleinsäure, die RNA, das Maß aller Dinge: Sie war Speicher der Erbinformation und auch zentraler Katalysator der Lebensprozesse. Für diese frühe „RNA-Welt“ gibt es noch keine eindeutigen Beweise, doch verdichten sich die Hinweise. Einen wichtigen, bislang fehlenden Baustein für die Hypothese haben Professor Patrick Cramer, Leiter des Genzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Mitglied der Leitung des Exzellenzclusters „Center for integrated Protein Science Munich (CIPSM)“, und seine Mitarbeiter Elisabeth Lehmann und Florian Brückner nun gefunden. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, hat ein zentrales Enzym heutiger Organismen – und auch des Menschen – Fähigkeiten, die aus der Zeit der RNA-Welt stammen. „Das Enzym ist die RNA-Polymerase II“, sagt Cramer. „Im Kern ist sie nach unseren Ergebnissen wohl das älteste oder eines der ältesten Proteine.“

In heutigen Lebensformen ist die Abschrift der Gene bei der so genannten Transkription einer der zentralen zellulären Prozesse. Dabei wird genetische Information auf ein Botenmolekül übertragen, das wiederum als Vorlage für den Bau eines Proteins dient. Die Vorlage für die Transkription ist unser Erbmolekül DNA. Das Enzym, das die Transkription katalysiert, ist die RNA-Polymerase II, kurz Pol II. Das dabei entstehende Botenmolekül ist eine bestimmte RNA, die so genannte mRNA. Cramer und seine Mitarbeiter konnten jetzt zeigen, dass die intensiv untersuchte RNA-Polymerase II überraschende Fähigkeiten hat. Das Enzym kann offensichtlich nicht nur DNA als Vorlage für die Transkription nutzen, sondern auch RNA. Dieses Ergebnis leistet der Hypothese von der „RNA-Welt“ Vorschub, wonach die RNA in der Evolution vor der DNA entstand. „Ein Vorläufer von Pol II konnte wohl RNA-Genome verdoppeln und erst später auch DNA-Vorlagen verwenden“, so Cramer. „Das schließt eine der größten Lücken im Verständnis der molekularen Evolution.“

Der Chemienobelpreisträger Walter Gilbert prägte 1986 den Begriff von der „RNA-Welt“. Wissenschaftliche „Väter“ hat die Hypothese jedoch viele, unter anderem den Anfang des Monats verstorbenen Biochemiker Leslie Orgel. Für die RNA-Welt spricht unter anderem die Vielseitigkeit der Ribonukleinsäure: RNA kann genetische Information speichern und auch übertragen. Zudem aber verfügt das Molekül über katalytische Fähigkeiten, es wirkt damit als Enzym. Das wiederum ist nötig, um sich selbst oder andere Träger genetischer Information zu vervielfältigen. Noch fehlt aber die endgültige Bestätigung für die Hypothese der „RNA-Welt“. Nun gibt es jedoch einen weiteren wichtigen Hinweise darauf – und zwar in jeder einzelnen unserer Zellen.

Gene, also bestimmte Abschnitte unseres Erbmoleküls DNA, enthalten die Baupläne für Proteine. Dabei ist die genetische Information in der Abfolge der DNA-Bausteine gespeichert. Die DNA liegt im Zellkern, Proteine werden außerhalb davon synthetisiert. Soll nun ein Protein gebaut werden, muss zuerst die Sequenz des zugehörigen Gens übertragen werden. Dazu liest die RNA-Polymerase II dessen Sequenz Baustein für Baustein ab und baut entsprechend wieder Baustein für Baustein ein RNA-Molekül, das die Gensequenz widerspiegelt. Dieses RNA-Molekül kann den Zellkern verlassen und den Ribosomen, den Proteinfabriken der Zelle, als Bauplan dienen.

Doch wie Cramer und seine Mitarbeiter jetzt zeigen, kann die RNA-Polymerase II nicht nur DNA, sondern auch RNA als Vorlage nutzen. In den Experimenten konnte das Enzym ein kleines Stück RNA ablesen und ein dazu passendes RNA-Molekül bauen. Pol II konnte also ein RNA-Stück um einige Bausteine verlängern, selbst wenn keine DNA als Vorlage vorhanden war. Alles was dazu nötig war: das Enzym, ein Stück RNA und freie Bausteine. „Diese wohl uralte Reaktion wird noch heute genutzt, um ein virales Genom zu vervielfältigen“, berichtet Cramer. „Dabei handelt es sich um das Hepatitis Delta Virus, dessen genetische Information nicht in DNA, sondern in RNA gespeichert ist.“ Aber auch andere Organismen nutzen vermutlich die Fähigkeit der Pol II, RNA-Stücke nach RNA-Vorlage zu synthetisieren.

Eine genauere Untersuchung auf atomarer Ebene durch Kristallographie zeigte, welche Stelle im Enzym die RNA-Vorlage im Komplex mit der neu synthetisierten RNA bei all diesen Vorgängen besetzt: Es ist dieselbe Stelle, die bei der Transkription zusammen von der DNA und dem entstehenden Botenmolekül mRNA eingenommen wird. Die RNA-Produktion nach einer RNA-Vorlage verläuft allerdings langsamer und weniger effektiv als mit DNA bei der Transkription.

„Die Fähigkeit von Pol II, RNA nach RNA-Vorlage zu bauen ist ein lang gesuchter und bislang fehlender Baustein der molekularen Evolution“, meint Cramer. „Unsere Resultate lassen vermuten, dass sich das Enzym aus einem der ersten Proteine entwickelt hat. Das wäre eine Replikase gewesen, ein Enzym also, das frühe RNA-Genome duplizierte. Während der Evolution erwarb die Replikase dann die Fähigkeit, auch DNA als Vorlage für die RNA-Synthese zu nutzen, was die Entwicklung der heutigen DNA-Genome ermöglichte. Dank der nun charakterisierten uralten Fähigkeiten der Pol II lässt sich also erklären, wie der bisher unverstandene Übergang von RNA-Genomen zu DNA-Genomen vor Millarden von Jahren stattgefunden haben könnte.“

Publikation: „Molecular basis of RNA-dependent RNA polymerase II activity“, Elisabeth Lehmann, Florian Brückner, Patrick Cramer, Nature, 15. November 2007