Magnetische Supraleiter - Vereinte Gegensätze

13.10.2014

LMU-Chemiker haben erstmalig einen ferromagnetischen Supraleiter entdeckt, der chemisch modifizierbar ist und umfassende Studien dieses seltenen Phänomens ermöglicht. Supraleitung und Ferromagnetismus – die „normale“ Form des Magnetismus, wie sie etwa in Hufeisenmagneten auftritt – schließen sich normalerweise aus: Ferromagneten sind magnetisch, weil in ihrem Inneren ein starkes Magnetfeld vorliegt. Supraleiter dagegen verdrängen Magnetfelder aus ihrem Inneren.

Die neue Verbindung besteht aus Stapeln abwechselnd supraleitender Eisenselenid- und ferromagnetischer Lithium-Eisenhydroxid-Schichten. (Quelle: Dirk Johrendt)

LMU-Chemikern ist es nun gelungen, diese Gegensätze zu überwinden: „Wir haben eine neue Verbindung synthetisiert, die als ferromagnetischer Supraleiter beide Eigenschaften in sich vereint“, sagt Professor Dirk Johrendt vom Department Chemie, „dieser Erfolg ist ein wichtiger Fortschritt, der der Forschung ganz neue Möglichkeiten eröffnet“.

Dass Supraleitung und Ferromagnetismus in einem Material gemeinsam vorkommen, ist sehr selten und wurde bisher fast nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt – also bei etwa minus 273°C – beobachtet. „Die von uns synthetisierte schichtartige Verbindung (Li,Fe)OH(FeSe) hat den großen Vorteil, dass sie auch bei höheren Temperaturen funktioniert, die im Labor leichter handhabbar sind“, sagt Johrendt.

Die neue Verbindung besteht aus zwei unterschiedlichen Schichten, die abwechselnd aufeinander folgen: Einer supraleitenden Eisenselenid-Schicht (FeSe) und einer ferromagnetischen Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht (Li,Fe)OH. Wird die Verbindung auf Temperaturen unterhalb von minus 230°C abgekühlt, entsteht zunächst Supraleitung in der Eisenselenid-Schicht. Bei etwas tieferen Temperaturen erzeugen die Eisenatome in der Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht zusätzlich einen ferromagnetischen Effekt, ohne dass die Supraleitung verschwindet.

In Kooperation mit Physikern der Technischen Universität Dresden und des Paul-Scherrer-Instituts in Villingen (Schweiz) konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das von der ferromagnetischen Schicht ausgehende Magnetfeld den Supraleiter durchdringt - und zwar spontan und ohne äußeren Einfluss. Dieser neue Zustand der Materie wird als spontane Vortex-Phase bezeichnet. In bestimmten Supraleitern kann zwar durch ein von außen angelegtes Magnetfeld ein ferromagnetischer Effekt erzeugt werden, aber die wenigen bisher bekannten Stoffe mit dieser Eigenschaft waren chemisch kaum modifizierbar und konnten wegen der erforderlichen extrem niedrigen Temperaturen nur mit großem Aufwand untersucht werden. „Unser neues Material bietet erstmalig gute Möglichkeiten, die Koexistenz von Supraleitung und Ferromagnetismus chemisch zu beeinflussen, sodass in Zukunft umfassendere Studien dieses faszinierenden Phänomens möglich werden“, schließt Johrendt.

Publikation: Angewandte Chemie 2014